Teilen für Erwachsene

Dieses Jahr wurde mir ganz deutlich bewusst, dass das Martinsfest bei Kindergartenkindern hoch im Kurs steht, bei Erwachsenen aber kaum Beachtung findet. Nicht einmal mein spiritueller Jahreskalender für Frauen nahm den 11. November zum Anlass, um auch nur ansatzweise das Thema Teilen oder Verteilungsgerechtigkeit aufzugreifen. Und das hat mich sehr betroffen gemacht.

Ist es für uns Erwachsene nicht mehr erstrebenswert, ein wenig so wie Martin zu sein? Warum gaukeln wir - so kommt es mir manchmal vor - den Kindergartenkindern dann vor, dass Teilen eine wünschenswerte Tugend sind, die wir manchmal auch streng von ihnen einfordern: Sie sollen ihr heißgeliebtes Spielzeug beim Spielen mit anderen Kindern teilen. Sie sollen bei einer Spendenaktion ein eigenes Spielzeug in die Schuhschachtel packen. Sie sollen großzügig die Schokolade, die sie zum Geburtstag geschenkt bekommen haben, mit ihren Geschwistern teilen.

All das erwarten wir von ihnen - und sind selber möglicherweise nicht immer die besten Vorbilder. Würden wir leichtfertig jemandem unsere Lieblingsjeans schenken? Würden wir so ganz ohne Vorbehalt mit einer*einem Wildfremden unsere Wohnung oder unser Dach teilen? Ich habe da so meine Bedenken und nehme mich selber bei der Nase: Mir fällt es nämlich auch nicht leicht, lieb gewordene Dinge an andere abzugeben, auch wenn andere vielleicht deutlich mehr damit anfangen könnten. Ich habe sogar die Beobachtung gemacht, dass meine Kinder in manchen Fällen deutlich großzügiger sind, als ich es bin, sodass sie hier tatsächlich meine Vorbilder sind.

Vielleicht wäre die sinnvollere Vorgangsweise jene: Ich selber gebe und teile vorbehaltlos, fordere aber dasselbe nicht von anderen streng ein, sondern erzähle nur davon - im Sinne von: "Tue Gutes und rede darüber."  Durch unsere Vorbildwirkung kann Großzügigkeit ganz von selber - ohne Druck und Zwang - entstehen und im Laufe der Zeit auch unsere Gesellschaft zu einer großzügigeren und (verteilungs-)gerechteren werden.

Gleichzeitig beobachte ich in vielen Bereichen eine unglaublich große Hilfsbereitschaft. Menschen teilen ihre Zeit und ihre finanziellen Ressourcen mit Mitmenschen, die das Leben nicht gerade von seinen Sonnenseiten kennen. Diese Hilfsbereitschaft macht mir große Hoffnung, dass eine großzügigere und (verteilungs-)gerechtere Gesellschaft gar nicht so weit entfernt ist - wenn wir uns ein bisschen von diesen Menschen anstecken lassen. Oder ist das nur blauäugige Utopie? Was meint ihr dazu? Ich freue mich über eure Gedanken und Meinungen!